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Vamos-Bahn fährt um die Kurve, Frontalaufnahme

Corona und Verkehrswende prägen das Jahr 2020

Planergebnis dank Rettungsschirm

Das Corona-Jahr 2020 wird in die moBiel-Annalen als ein Jahr extremer wirtschaftlicher und betrieblicher Herausforderungen eingehen. Die Pandemie hat Bielefelds Verkehrsunternehmen nicht nur einen nie gesehenen Rückgang der Fahrgastzahlen um rund 44 Prozent auf nur noch 33,6 Millionen eingebracht, sondern auch die betrieblichen Abläufe vom Fahrbetrieb bis zum Baustellenmanagement stark belastet – und tut es immer noch.

Dennoch ist es gelungen, wichtige Vorhaben für eine Mobilitätswende und einen klimaschonenderen Nahverkehr voranzutreiben.

33,6 Millionen Fahrgäste

Nachdem 2019 noch gut 60 Millionen Fahrgäste Busse und –StadtBahnen genutzt hatten und auch das Jahr 2020 vielversprechend begonnen hatte, sanken mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 die Fahrgastzahlen massiv. Nach einer leichten Erholung über den Sommer brachte der zweite Lockdown Ende des Jahres erneute Einbußen, sodass am Jahresende ein Rückgang der Fahrgastzahlen um rund 44 Prozent auf 33,6 Millionen (2019: 60,1 Millionen) zu verzeichnen war. Damit gab es erstmals seit drei Jahrzehnten eine rückläufige Entwicklung.

Hatte man zu Beginn der Pandemie gehofft, dass bereits 2021 eine durchgreifende Erholung einsetzen würde, geht Geschäftsführer Martin Uekmann inzwischen davon aus, dass die alten Fahrgastzahlen wohl nicht vor 2024 wieder erreicht werden. Und die Erholung werde nur langsam und schrittweise geschehen. Zurzeit liege man bei etwa 40 Prozent des Vorkrisenniveaus: »Die Pandemie dauert länger, als alle anfangs gedacht hatten. Und sie wird deshalb unser Verhalten umso nachhaltiger verändern – nicht nur im ÖPNV.«

Umsatz stark rückläufig – Jahresverlust niedriger

Der Fahrgastrückgang wirkte sich maßgeblich auf die Entwicklung der Umsatzerlöse im Jahr 2020 aus. Diese sanken um zwölf Prozent auf 54,2 Millionen Euro (2019: 61,6 Millionen Euro). Der Rückgang zeigte sich dabei in unterschiedlicher Ausprägung bei allen Ticketarten, vom Einzel- oder 4erTicket bis hin zu den verschiedenen Abos.

»Allein bei den Einzel- und 4er-Tickets sind die Einnahmen um zirka 39 Prozent auf 6,9 Millionen Euro zurückgegangen. Einen geringeren Rückgang verzeichnen wir bei den Abos. Unser Dank gilt besonders unseren Abo-Kunden, die uns in dieser Zeit die Treue gehalten haben«, sagt Cornelia Christian, Leiterin des Kundenmanagements.

Im Gegensatz zu dieser Entwicklung fiel der Jahresverlust mit 27,9 Millionen Euro (2019: -23,3 Millionen Euro) sogar um 1,6 Millionen Euro geringer aus als ursprünglich für 2020 geplant. Denn die Corona-Einschränkungen – vor allem während des ersten Lockdowns mit einem Sonderfahrplan – führten teilweise zu einem geringeren Aufwand. So mussten weniger Busse für Schienenersatzverkehre angemietet und weniger Treibstoff eingekauft werden.

Entscheidend für das angesichts der Umstände gute Jahresergebnis war aber der ÖPNV-Rettungsschirm von Bund und Land. Die Bezirksregierung Detmold hat im Dezember zum Ausgleich der ermittelten vorläufigen Schadenssumme elf Millionen Euro für den Zeitraum März bis Dezember 2020 ausgezahlt. Die endgültige Schadensermittlung und Antragsstellung erfolgt im September dieses Jahres. Martin Uekmann: »Dank des Rettungsschirms sind wir bisher mit einem blauen Auge durch die Pandemie gekommen. Wir sind deshalb sehr erleichtert, dass es in diesem Jahr erneut Corona-Hilfen von Bund und Land für den Nahverkehr geben wird.«

Wie es ab 2022 weitergehe, müsse man sehen. Es sei davon auszugehen, dass moBiel auch dann noch auf finanzielle Unterstützung angewiesen sein werde. »Dies wird die Mutter Stadtwerke Bielefeld nicht allein leisten können. Denn der ÖPNV gehört eindeutig zu den großen Coronaverlierern in Deutschland. Es wird nicht einfach werden, die Fahrgäste zurückzugewinnen«, so Uekmann.

Daseinsvorsorge in Pandemiezeiten

Die Pandemie hat aber auch verdeutlicht, dass moBiel wesentlich zur öffentlichen Daseinsvorsorge beiträgt. Selbst zu Zeiten des harten ersten Lockdowns, als nur noch etwa ein Viertel der Fahrgäste Bus und StadtBahn nutzten, hat das Unternehmen Zweidrittel der Fahrten angeboten und ist – mit Ausnahme der NachtBusse – sehr schnell zum Normalfahrplan zurückgekehrt.

»Mit überwiegend ziemlich leeren Fahrzeugen durch die Stadt zu fahren, erhöht natürlich die Verluste«, so der moBiel-Geschäftsführer. »Aber wir sehen es als unsere Aufgabe an, unseren Fahrgästen so viel Abstand und damit Infektionsschutz wie möglich zu bieten. Deshalb haben wir zum Beispiel im Schülerverkehr das Angebot sogar noch ausgeweitet.«

Auch sonst seien mehr Fahrzeuge – und damit Fahrpersonal - als üblich eingesetzt worden, was in Pandemiezeiten keine triviale Aufgabe sei. »Durch die Infektionsschutzmaßnahmen haben wir in den Werkstätten und im Fahrdienst unter erschwerten Bedingungen gearbeitet. Konsequent getrennte Schichten und auch Quarantänefälle haben die Personaldisposition nicht vereinfacht.«

Verkehrswende gestalten

Neben der Coronakrise war und ist die Gestaltung der Verkehrswende Arbeitsschwerpunkt bei moBiel – auch um an der Erfüllung der städtischen Klimaziele mitzuwirken. Mit klimafreundlichen, komfortablen Fahrzeugen und neuen Tickets sowie mit einem breit gefächerten Sharing-Angebot möchte moBiel nicht nur alte Fahrgäste aus Vor-Corona-Zeiten zurückgewinnen, sondern auch neue Kundenkreise erschließen. Eine zunehmende Digitalisierung und der Ausbau der Infrastruktur dienen ebenfalls diesem Ziel und damit dem besseren Klima in der Stadt.

Seit vergangenem Jahr hat moBiel neben den Rufbussen, den TIER-Tretrollern und den E-Motorrollern, die bereits seit 2019 am Markt sind, zusätzlich über Kooperationen Elektroautos (CityCa) und Fahrräder (Nextbike) im Angebot. Ergänzt wird diese Palette durch die schon seit 2001 bestehende Zusammenarbeit mit dem Carsharing-Anbieter cambio.

Mit Sharing-Fahrzeugen 1,3 Millionen Kilometer zurückgelegt

Die Bielefelderinnen und Bielefelder schätzen die flexiblen, digital buchbaren Angebote als Ergänzung des klassischen Linienverkehrs mit Bus und StadtBahn. Cornelia Christian ist sich sicher, dass ohne Corona die Nachfrage noch größer gewesen wäre. Angesichts der Einschränkungen ist sie aber durchaus zufrieden: »Die Nutzerinnen und Nutzer unserer neuen Sharing-Angebote haben allein seit Anfang 2020 die beeindruckende Zahl von 1,3 Millionen Kilometern zurückgelegt, und zwar klimafreundlich.« 

Sie geht davon aus, dass die Nachfrage mit Nachlassen der Pandemie, aber auch durch die Erweiterung des Angebots, etwa bei den Leihrädern meinSiggi, noch deutlich steigen werde.

Einen Schub werde auch die neue Mobilitätsplattform bringen, die voraussichtlich ab Dezember 2021 über eine App umfassende Infos für eine maßgeschneiderte Ticket- und Verkehrsmittelwahl bieten werde – einschließlich Buchung und Bezahlung. Über die neue App wird auch der neue NRW-weite eTarif angeboten, der zum 1. Dezember eingeführt werden soll. Bei diesem Tarif checkt der Fahrgast via Smartphone bei Einstieg in Bus oder Bahn ein und beim Aussteigen selbst oder automatisiert wieder aus. Der Ticketpreis für die Fahrt berechnet sich dabei aus einem fixen Grundpreis und den Luftlinienkilometern zwischen Start und Ziel.

Modernisierungsoffensive bei Bus und StadtBahn

Bei der Modernisierung des Fuhrparks, die nicht nur weniger Umweltbelastung, sondern auch mehr Komfort für die Fahrgäste zum Ziel hat, hat moBiel 2020 wichtige Meilensteine erreicht. Erforderlich hierfür war ein Großteil der erneut hohen Investitionen. Sie beliefen sich auf insgesamt 40 Millionen Euro (2019: 24,5 Millionen Euro).

In die Beschaffung zehn neuer Busse – sechs Solo- und vier Gelenkbusse - flossen im vergangenen Jahr 3,1 Millionen Euro. Mit deren Inbetriebnahme schloss moBiel die acht Jahre dauernde Erneuerung der moBiel-Busflotte ab.
Knapp 37 Millionen Euro nahm das Unternehmen für diesen Beitrag zum Klimaschutz in Bielefeld in die Hand und erwarb seit 2013 insgesamt 118 schadstoffarme Mercedes-Citaro-Busse und ersetzte damit ältere, nicht so saubere Euro-5- bzw. EEV-Busse. 50 der neuen Fahrzeuge sind sogar so genannte Mildhybride. Bei diesen Bussen unterstützt ein Elektromotor, der zwischen dem Dieselmotor und dem Getriebe angeordnet ist, den Antrieb beim Anfahr- und Beschleunigungsvorgang.

Wasserstoffbusse ab 2022 im Einsatz

Auch bei der geplanten Erprobung der Wasserstofftechnik ist das Unternehmen 2020 einen wichtigen Schritt weitergekommen. moBiel hat nach rund zweijährigen Vorarbeiten vier Wasserstoffbusse und eine Tankstelle zum Befüllen der Fahrzeuge bestellt. Zurzeit laufen die Genehmigungsverfahren.

Voraussichtlich im Frühjahr 2022 werden die Busse des portugiesischen Herstellers Caetano über Bielefelds Straßen rollen. Die Wasserstofftankstelle liefert das Unternehmen Framatome aus Erlangen, Tochter des französischen Framatome-Konzerns. moBiel errichtet die Tankstelle auf dem MVA-Gelände in Bielefeld-Heepen, wo auch die Busse stationiert sein werden. Insgesamt beträgt die Investition für Busse, Tankstelle und Abstellhalle rund zehn Millionen Euro.

24 neue Vamos-StadtBahnen

Die größte Investition bleibt aber die Beschaffung von 24 neuen Vamos-StadtBahnen. Von den insgesamt 95 Millionen Euro, die moBiel hierfür aufbringen muss, wurden im Vorjahr 26,5 Millionen fällig. Damit sind bereits 51 Millionen Euro geflossen. Die erste neue StadtBahn lieferte der Hersteller Heiterblick im Dezember an moBiel. Ende 2022 soll die schrittweise Inbetriebnahme abgeschlossen sein.

Kai-Uwe Steinbrecher, technischer Leiter von moBiel: »Leider gibt es durch Corona zurzeit Lieferverzögerungen. Personaleinsatz und Materialbeschaffung sind zurzeit ja bekanntlich schwer zu kalkulieren. Vier Bahnen sind aber schon da, die nächsten beiden kurz vor der Auslieferung.«

Parallel arbeitet moBiel daran, weitere StadtBahn-Haltestellen nicht nur barrierefrei, sondern auch Vamos-tauglich zu machen. Anfang Mai 2021 wurde der Hochbahnsteig Sieker-Mitte (Kostenpunkt: 3,8 Millionen Euro) fertig gestellt, sodass jetzt der gesamte Streckenabschnitt zwischen der Endhaltestelle Stieghorst Zentrum und der City barrierefrei ist.

Mit dem Fahrplanwechsel zum 1. August gibt es deshalb eine Veränderung bei der StadtBahn: Die Linie 4 verbindet dann - komplett barrierefrei - Stieghorst Zentrum und Lohmannshof. Die Linie 3 fährt stattdessen zwischen Babenhausen Süd und Dürkopp Tor 6.

Fahrplanwechsel bringt größeres Fahrtenangebot

Der Fahrplanwechsel bringt außerdem Verbesserungen im Bussektor. Zu nennen sind hier etwa die bessere Anbindung des Gebiets Auf dem Busch im Bielefelder Osten, Taktverdichtungen auf verschiedenen Linien und ein erweiterter Abendverkehr von und nach Quelle. Noch feilen die Verkehrsplanerinnen und -planer von moBiel an den letzten Details. Sobald endgültig feststeht, wann welcher Bus wo abfährt, wird das Verkehrsunternehmen die Kunden umfangreich informieren.

Ausblick auf 2021

Für 2021 hat moBiel Investitionen in Höhe von 37,8 Mio. Euro vorgesehen. Ein Schwerpunkt liegt in diesem Jahr bei der StadtBahn-Infrastruktur. So sollen etwa in den Sommerferien die Gleisanlagen der Linie 1 zwischen Adenauerplatz und Bethel erneuert werden. Bereits ausgetauscht wurden Anfang Mai Weichen und ein Gleiskreuz im Niederwall. Für den Betriebshof Sieker wird zurzeit der Bau einer neuen Halle vorbereitet, in der StadtBahnen gewartet werden können. Sie wird wegen der wachsenden Fahrzeugflotte dringend benötigt. Nicht zuletzt investiert moBiel auch weiterhin in die Digitalisierung der Abläufe und des Angebots, etwa in die neue App.

Trotz der durch die Corona-Pandemie erschwerten wirtschaftlichen Situation des Unternehmens will moBiel 2021 und darüber hinaus an seiner Investitionsplanung und der Ausweitung des Angebots festhalten. Geschäftsführer Martin Uekmann: »Es wäre in meinen Augen geradezu fahrlässig, wegen Corona nicht mehr an der Verkehrswende und gegen den Klimawandel zu arbeiten. Bielefeld will den Anteil des Nahverkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen deutlich erhöhen und so etwas für den Klimaschutz tun. Dafür gibt es einen klaren Auftrag seitens der Politik. Die Erfüllung sehen wir als unsere ureigene Aufgabe an und haben deshalb auch schon Vieles umgesetzt.«

Verkehrswende braucht langen Atem und gesellschaftlichen Konsens

Allen müsse aber klar sein, dass man dicke Bretter bohren müsse und einen langen Atem brauche. Der Umstieg gelinge nur, wenn man den Fahrgästen eine attraktive Alternative zum eigenen Auto biete, mit komfortablen und klimafreundlichen StadtBahnen und Bussen, die die Stadtteile gut erschließen. Ein flexibles Sharing-Angebot sei als Ergänzung von Bus und StadtBahn zunehmend wichtig.

»All das aber ist nicht zum Nulltarif zu haben«, so Uekmann. »Die Mobilitätswende erfordert über Jahre Millionenbeträge. Das übersteigt die finanziellen Möglichkeiten von moBiel, aber auch der Stadtwerke Bielefeld.« Ein vollständiger Verlustausgleich durch die Mutter werde nicht mehr möglich sein. Man sei deshalb in engem Austausch mit der Stadt und der Politik, um die künftige Finanzierung des ÖPNV zu klären.

Uekmann, der auch Geschäftsführer der Stadtwerke Bielefeld ist: »Wir nähern uns damit den Verhältnissen, die in vielen deutschen Städten schon lange herrschen. Dort ist die kommunale Mitfinanzierung des Nahverkehrs selbstverständlich.« Zwar erwirtschafteten die Stadtwerke Bielefeld trotz der angespannten Situation weiterhin positive Jahresergebnisse. Aber diese reichten nicht mehr aus, um die Verkehrsverluste vollständig auszugleichen. Und nicht nur bei moBiel sei der Investitionsbedarf hoch. »Der Aufbau eines flächendeckenden Glasfasernetzes, die Umstellung auf erneuerbare Energien, aber auch der Erhalt und der Ausbau der Energie- und Wasserinfrastruktur erfordern hohe Millionenbeträge«, so Uekmann weiter. »Sie werden sich aber künftig auszahlen. Denn wir investieren in die lebenswerte Zukunft unserer Stadt.«

Abstrakte Klimaziele und Geld allein reichten zum Gelingen der Mobilitätswende aber nicht aus: „Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens in der Stadt, dass der Nahverkehr mehr Raum bekommen soll – ganz wörtlich und konkret. Und Raum ist bekanntermaßen ein rares Gut. Aber es hilft nichts:  Wenn ich eine bessere ÖPNV-Anbindung meines Viertels möchte, müssen irgendwo auch die Busse und Stadtbahnen fahren und Fahrtgäste ein- und aussteigen. Auch wenn es manchmal weh tut, weil andere Interessen berührt sind.“

Kennzahlen 2019 und 2020

  2019 2020
Umsatzerlöse (Mio. Euro) 61,6 54,2
Jahresergebnis (Mio. Euro) -23,3 -27,9
Aufwanddeckungsgrad (%) 75,6 71,3
Investitionen (Mio. Euro) 24,5 40,0
Zahl Fahrgäste (in Mio.)
     davon StadtBahn
     davon Bus
60,1
34,8*
25,2*
33,6
19,5
14,1
Zahl Mitarbeiter/-innen
     davon Fahrer/-innen
855
534
850
510
Fahrzeuge
     StadtBahnen 
     Busse
        nur eigene
        inkl. angemietete

76 + 5 Mittelwagen

126
191

76 + 5 Mittelwagen

133
197

* Abweichung zwischen der Summe und den Einzelwerten beruht jeweils auf Rundungsdifferenzen

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